Sexualisierte Gewalt im Sport: 1 von 3 Kadersportler*innen betroffen

Ein Blick auf die Problematik

Der organisierte Sport in Deutschland steht vor einer Herausforderung: Sexualisierte Gewalt ist ein weit verbreitetes Problem, das dringend angegangen werden muss. Zwei wegweisende Studien, „Safe Sport“ und „SicherImSport“, haben in den letzten Jahren wichtige Erkenntnisse zu diesem Thema geliefert und verdeutlichen, dass es sich keineswegs um Einzelfälle handelt.

Eine Gruppe von Sportler die über das Thema sexualisierte Gewalt sensibilisiert werden

Die „Safe Sport“-Studie: Einblicke in den Leistungssport

Die „Safe Sport“-Studie aus dem Jahr 2016 konzentrierte sich auf den Leistungssport in Deutschland und lieferte alarmierende Ergebnisse:

  • 37,6 % der befragten Kadersportler*innen gaben an, mindestens eine Situation sexualisierter Gewalt im organisierten Sport erlebt zu haben.
  • 11,2 % berichteten von schwerer oder länger andauernder sexualisierter Gewalt.
  • Sportlerinnen waren signifikant häufiger betroffen als Sportler.
  • Personen mit nicht-heterosexueller Orientierung erlebten häufiger sexualisierte Gewalt als heterosexuelle Athlet*innen.

Diese Ergebnisse zeigen, dass Gewalt im sexualisierten Kontext ein ernstzunehmendes Problem im deutschen Spitzensport ist, das dringend angegangen werden muss.

Die „SicherImSport“-Studie: Fokus auf den Breitensport

Als Reaktion auf die Erkenntnisse aus dem Leistungssport wurde 2020 das Forschungsprojekt „SicherImSport“ ins Leben gerufen, um die Situation im Breitensport zu untersuchen. Diese bislang größte Breitensport-Studie zu Gewalterfahrungen im organisierten Sport in Deutschland ergab:

  • Fast zwei Drittel der Befragten gaben an, im Sport schon einmal oder mehrfach Gewalterfahrungen gemacht zu haben.
  • Diese Erfahrungen umfassten verbale und körperliche sexuelle Belästigungen, psychische Gewalt und körperliche Übergriffe.
  • Mädchen und Frauen machten wesentlich mehr negative Erfahrungen als männliche Mitglieder.
  • Trotz negativer Erlebnisse betonten neun von zehn Betroffenen, dass sie insgesamt gute bis sehr gute Erfahrungen mit dem Vereinssport gemacht haben.

Präventionsmaßnahmen in Sportvereinen

Die Studien untersuchten auch den Stand der vorbeugenden Maßnahmen in Sportvereinen:

  • Ein Drittel der Vereine engagierte sich aktiv gegen sexualisierte Gewalt.
  • Jeder zehnte Verein hatte eine*n Ansprechpartner*in für Sicherheitsmaßnahmen gegen sexualisierter Gewalt oder für den Kinderschutz.
  • Durchschnittlich zwei präventive Maßnahmen sexualisierter Gewalt wurden in den Vereinen umgesetzt.
  • In mehr als einem Drittel der Vereine gab es keinerlei spezifische, präventive Maßnahmen.

Gesamtgesellschaftlicher Kontext

Die „SicherImSport“-Studie zeigte auch, dass sexualisierte Grenzverletzungen, Belästigung und Gewalt häufiger außerhalb als innerhalb des Sports erlebt werden. Dies unterstreicht, dass es sich um ein gesamtgesellschaftliches Problem handelt, das auch den Sport betrifft.

Sexualisierte Gewalt bekämpfen: Schlussfolgerungen und Handlungsbedarf

Die Ergebnisse beider Studien machen deutlich, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Folgende Maßnahmen sind laut dieser Studien essenziell:

  1. Entwicklung von Schutzkonzepten: Alle Sportvereine sollten eigene Schutzkonzepte entwickeln und implementieren.
  2. Sensibilisierung und Aufklärung: Funktionärinnen, Trainerinnen und Athlet*innen müssen umfassend über sexualisierte Gewalt im Sport aufgeklärt werden.
  3. Etablierung von Ansprechpersonen: Jeder Verein sollte mindestens eine geschulte Ansprechperson für Fälle von sexualisierter Gewalt haben.
  4. Förderung einer offenen Kommunikationskultur: Es muss eine Atmosphäre geschaffen werden, in der sich Betroffene trauen, über ihre Erfahrungen zu sprechen.
  5. Regelmäßige Evaluation: Präventive Maßnahmen sollten kontinuierlich überprüft und angepasst werden.
  6. Zusammenarbeit mit externen Fachstellen: Vereine sollten mit spezialisierten Beratungsstellen kooperieren, um professionelle Unterstützung zu gewährleisten.
  7. Geschlechtersensible Ansätze: Da Mädchen und Frauen häufiger betroffen sind, sollten gezielte Sicherheits- und Interventionsstrategien entwickelt werden.
  8. Berücksichtigung von Risikogruppen: Besondere Aufmerksamkeit sollte Gruppen wie LGBTQ+-Athlet*innen gewidmet werden, die laut der Studien einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind.

Die Studien „Safe Sport“ und „SicherImSport“ haben entscheidend dazu beigetragen, das Ausmaß und die Formen sexualisierter Gewalt im deutschen Sport sichtbar zu machen. Sie bilden eine solide Grundlage für die Entwicklung und Umsetzung effektiver Schutzmaßnahmen. Jetzt liegt es an den Dachverbänden, Vereinen und Verantwortlichen, diese Erkenntnisse in konkrete Handlungen umzusetzen und eine Sportkultur zu fördern, die auf Respekt, Sicherheit und Integrität basiert.

Trotz der alarmierenden Ergebnisse ist der Sport weiterhin ein wichtiger und überwiegend positiver Bestandteil im Leben vieler Menschen. Die Herausforderung besteht darin, die positiven Aspekte des Sports zu bewahren und gleichzeitig entschieden gegen jede Form von Gewalt und Missbrauch vorzugehen. Nur so kann der organisierte Sport in Deutschland seiner Verantwortung gerecht werden und ein sicheres Umfeld für alle Beteiligten schaffen.

Gemeinsam für mehr Respekt im Sport

Die Ergebnisse der Studien zeigen deutlich, dass sexualisierte Gewalt im Sport ein ernstzunehmendes Problem ist, das entschlossen angegangen werden muss. Es braucht eine starke Präventionsarbeit, klare Schutzkonzepte und ein Bewusstsein für die Problematik auf allen Ebenen.

respektplus setzt sich aktiv für ein respektvolles Miteinander ein und unterstützt Initiativen, die sich gegen Gewalt und Diskriminierung engagieren. Nur durch konsequente Aufklärung, Sensibilisierung und strukturelle Maßnahmen kann ein sicheres Umfeld geschaffen werden – im Sport und in der Gesellschaft.